Eines vorweg: Über die 5 Seiten Leserbeiträge zu meinem Bericht „Reich mir die Tatze, Eisbär“ bei Spiegel Online (Sa, 02.11.2013) habe ich mich sehr gefreut. Es ist immer schön zu sehen, dass man tatsächlich gelesen wird. Und wenn man – als Reisejournalist gilt man gemeinhin ja als eher unkritisch – hin und wieder ein bisschen Staub aufwirbeln kann .. umso besser!
Worum ging es?
Einigen Lesern ging das Produkt des Anbieters gegen den Strich. Die kritischen Kommentare reichten „Nun werden noch mehr Touristen animiert, die Bären ganz nah zu sehen“ über „unverantwortlich“ bis zu „bitte nicht (auch noch) hier den letzten Kick suchen“.
Nanuk Polar Bear Lodge: Verantwortliche Bärenbeobachtung
Die Nanuk Polar Bear Lodge an der Hudson Bay bietet Bärenbeobachtung an. Dabei sind die Gäste, anders in der weiter nördlich liegenden „Bären-Welthauptstadt“ Churchill, wo man in sog. Tundra Buggies sitzt, zu Fuß unterwegs – in Begleitung erfahrener Bärenführer natürlich. Gemeinsam nähert man sich dem oder den Eisbären bis auf 50 Meter. Nicht näher. Dieser Prozess der Annäherung verläuft extrem vorsichtig und endlos langsam: Sobald der Bärenführer Zeichen von Stress beim Bären bemerkt, wird angehalten und ggf. umgekehrt.
Nun beschreibt meine Geschichte eine solche Annäherung. Für mich – und die übrigen Teilnehmer – war dies ein Erlebnis, das mir in Erinnerung bleiben wird und mein kulturell und gesellschaftlich anerzogenes Bild von Bären als bildschönen, aber mordsgefährlichen Raubtieren sowie der Unvereinbarkeit von Mensch und Tier in der Wildnis (einmal mehr) relativiert hat.
Die Experten-Meinung
Für die SPON-Geschichte bat ich den mitreisenden Bären-Experten Matthias Breiter um seine Meinung zu diesem Thema. Hier sein komplettes Statement: „Inwieweit sich sowohl Churchill als auch Camp Nanuk (die Nauk Polar Bear Lodge, OH) negativ auf die Eisbären auswirkt, kann man natürlich immer kontrovers diskutieren. Ich wehre mich gegen die Auffassung, dass die Anwesenheit von Menschen automatisch negativ für die Tiere ist. Zum einen haben Menschen und Tiere seid Tausenden von Jahren zusammengelebt (in Afrika seid Millionen von Jahren als Co-Evolution). Wir gehen davon aus, wenn Eingeborene dort leben, ist das Teil der Natur. Wenn wir “Weissen” dort leben, sind wir ein Fremdkörper. Aus Sicht der Tiere, sind die “Weissen” sicherlich in aller Regel weniger zu fürchten. Und es gibt viele Tiere, die in der Umwelt des Menschen gedeihen und die Nähe des Menschen suchen, da die Ueberlebensrate für die Tiere dort größer ist.
Sowohl in Churchill als auch in Camp Nanuk haben die Tiere Platz zum Ausweichen. Aufgrund der Müllhalde in Churchill gibt es dort allerdings eine Nahrungsquelle, die die Tiere ausnützen. Somit ergibt sich hier eine von Menschen eingeführte Konfliktsituation. Diese Nahrungsquelle gibt es im Camp Nanuk in der Form nicht. Das Camp ist viel kleiner und die Guides lassen die Tiere in Ruhe, die den Menschen vermeiden. Es ist halt ein Unterschied, ob man 1000 Menschen mit Autos, Bärenknallern, 18 Buggies plus einige Geländewagen in der Region hat, oder ein Haus und zwei 4-Wheeler. Und es spielt eine Rolle, was die Menschen machen. In Churchill kann jeder rumrennen, wie er will. Manche machen alles richtig, wenn sie einen Bären sehen, andere nicht. Als Camp Nanuk noch ein Jagdcamp war und die Menschen die Eisbären eher als eine Störung betrachteten als ein Tier, das es sich lohnt zu beobachten, hetzten manche die Bären. Bären gab es damals wenig zu sehen und wenn dann nur welche, die wegrannten. Heute machen die Menschen im Camp Nanuk das Gegenteil und lassen die Tiere in Ruhe. Die Bären, die sich in der Nähe von Menschen wohl fühlen, sind zu sehen, die anderen ziehen weiter oder bleiben in den Büschen. In Churchill haben sie diese Wahl nur beschränkt.“
Für eine emotions-entladene Bären-Lobby
Nach meinen eigenen Erfahrungen mit Bären in Kanada schließe ich mich der Sichtweise von Matthias Breiter an. Wichtig ist, WAS die Menschen in der Wildnis machen. Und ich möchte auch dies anfügen: Heute, wo der Lebensraum der letzten großen Wildtiere Kanadas zunehmend bedroht ist, brauchen Bären, Wale & Co. keine berufsempörte, sondern eine kenntnisreiche, pragmatische Lobby. Unternehmer wie die Nanuk Polar Bear Lodge vermitteln diese Kenntnisse und eine auf gesundem Menschenverstand basierende Herangehensweise. Und dazu eine Begeisterung für diese prachtvollen Tiere, die ansteckend ist und meinungsbildend wirkt.
Weitere Infos gibt es online unter:
Spiegel Online: www.spiegel.de/reise/fernweh/nanuk-polar-bear-lodge-eisbaeren-beobachten-in-kanada-a-929565.html